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Stellungnahme zur Entlassung von Carla Hayden, Direktorin der Library of Congress

((English below))

Am 8. Mai wurde Carla Hayden, die Direktorin der Library of Congress, einer der weltweit renommiertesten und angesehensten Institutionen unseres Berufsstandes, ihres Amtes enthoben, weil sie von der amerikanischen Regierung beschuldigt wird, Kinder in den USA mit «radikaler sexueller Ideologie» zu indoktrinieren. Am 6. Mai lehnte der Schweizer Nationalrat mit 108 zu 79 Stimmen den Antrag «Keine Bundessubventionen für Drag-Queens!» ab.

Das Zusammentreffen dieser beiden Nachrichten ist auffällig. Zunächst einmal ist es beunruhigend, dass der Kampf gegen Diskriminierung und staatliche Zensur, die in den westlichen Demokratien seit den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs kein politisches Thema mehr waren, wieder offen politisch werden, auch in der Schweiz, wie die Einreichung dieses Antrags beweist. Aber auch auf teilweise beruhigende Weise, denn zumindest in der Schweiz zeigt die Abstimmung im Nationalrat, dass der demokratische Konsens noch immer vorherrscht. Das Thema ist zwar wieder politisch, aber (noch) nicht wieder parteiisch geworden. Es ist keine Frage von links oder rechts, sondern eine grundlegende Frage der Demokratie.

Wenn man die Demokratie verteidigt, egal ob man rechts oder links steht, verteidigt man ihre grundlegenden Werte: Meinungsfreiheit und freie Meinungsäusserung, Nichtdiskriminierung, Chancengleichheit, sozialer Zusammenhalt, individuelle Verantwortung, Bürgerbeteiligung und Diskussionskultur. Natürlich gibt es Nuancen oder sogar erbitterte politische Kämpfe, wenn es um die Frage geht, wie viele öffentliche Mittel (Finanzen und / oder Gesetze) zur Erreichung dieser Ziele eingesetzt werden sollen oder wenn es um die Priorisierung der einzelnen Ziele geht. Aber die Tatsache, dass wir diese Werte, die Grundprinzipien, die gemeinsamen Ziele verteidigen, wird nicht in Frage gestellt.

Diese demokratischen Werte sind auch die Grundlage der Aufgaben von Bibliothekar*innen (siehe Ethikkodex), ergänzt durch ein weiteres, ebenso wichtiges Prinzip, die Neutralität. Bibliothekar*innen müssen ihre parteipolitischen Sympathien zum Schweigen bringen, wenn es darum geht, berufliche Entscheidungen zu treffen.

Grundsätzlich ist der Beruf weder in der linken noch in der rechten Ecke angesiedelt, aber er ist nicht unpolitisch: Wenn die Situation so bedrohlich wird, dass es darum geht, die Demokratie und ihre Werte zu verteidigen, müssen Bibliothekar*innen ihre Stimme erheben.

Im Namen seiner Mitglieder verurteilt Bibliosuisse die Entlassung der Direktorin der Library of Congress durch die Trump-Administration in den USA aufs Schärfste und begrüsst die demokratische Entscheidung des Nationalrates.

Statement on the dismissal of Carla Hayden, Director of the Library of Congress

On 8 May, Carla Hayden, Director of the Library of Congress, one of the most renowned and respected institutions in our profession worldwide, was dismissed from her position because she is accused by the US government of indoctrinating children in the United States with ‘radical sexual ideology’. On 6 May, the Swiss National Council rejected the motion ‘No federal subsidies for drag queens!’ by 108 votes to 79.

The coincidence of these two pieces of news is striking. First of all, it is alarming that the fight against discrimination and state censorship, which had not been a political issue in Western democracies since the atrocities of the Second World War, is once again becoming a matter of open politics, even in Switzerland, as the submission of this motion proves. But it is also somewhat reassuring, because at least in Switzerland, the vote in the National Council shows that democratic consensus still prevails. The issue has become political again, but it has not (yet) become partisan. It is not a question of left or right, but a fundamental question of democracy.

When we defend democracy, regardless of whether we are on the right or the left, we are defending its fundamental values: freedom of opinion and expression, non-discrimination, equal opportunities, social cohesion, individual responsibility, citizen participation and a culture of debate. Of course, there are nuances or even bitter political battles when it comes to the question of how much public resources (finances and/or laws) should be used to achieve these goals or when it comes to prioritising individual goals. But the fact that we defend these values, these fundamental principles, these common goals, is not in question.

Those democratic values are also the basis of librarians' duties (see Code of Ethics), supplemented by another equally important principle: neutrality. Librarians must set aside their party political sympathies when making professional decisions.

In principle, the profession is neither left-wing nor right-wing, but it is not apolitical: when the situation becomes so threatening that it is a matter of defending democracy and its values, librarians must raise their voices.

On behalf of its members, Bibliosuisse strongly condemns the dismissal of the director of the Library of Congress by the Trump administration in the United States and welcomes the democratic decision of the National Council.